E e y e n e r d e
E e y e n e r d e

| 2023 |

*

warten auf Sommer,
auf dass er mich berührt
meine Haut wie rote Erde brennt
mich mit Sand und Staub paniert
ich schließe die Augen
es ist so warm
mein Körper schwankt noch immer ganz leicht
vom Wellenbad im Meer, das ich am Vormittag nahm
die Haare wie Ähren von der Sonne gebleicht
weite Strände, weiße Dünen
alles ist feucht und trocken zugleich
am Abend
ein Bad in lila und rosa Glasur
ich schmecke nach Salz
und auf meiner Haut prickelt die Natur

warten auf Sommer
er schmeckt mir süß und pikant
gereift, fruchtig und herb der Duft
schwül und schwer die Luft, verbrannt
kurze, laue Nächte werden zum Tag
Sternstunden für die Seele, ein Fest
offene Fenster, Gespräche auf dem Balkon
und eine Hitze, die nicht schlafen lässt
ich stehe unter der Dusche
das zweite Mal in dieser Nacht
Körper, die sich lieben
halten sich wach
nur halb von einem Laken bedeckt, zu heiß
dein Schweiß, tropft mir ins Gesicht
machst in mir Licht, der Atem laut
und eine Spur von dir auf meiner Haut

warten auf Sommer
auf Leben und Tod
große Hitze trifft auf Wolkenbruch
Fruchtbarkeit auf Dürre, Fülle auf Not
ohne Erbarmen ist die Mittagszeit
kaum ein Schatten weit und breit
es riecht nach Sommer, nach trockenem Gras
die Atmosphäre ist drückend, aufgeladen
weiße Wolken am Himmel, schwarz der Horizont
Gewitter leuchten und Regengüsse nahen
ein Zirpen und Summen, Donnergroll
es klingt nach Sommer, nach Konzert in g-Moll
Fluten entfesselt und ungestüm
öffnet sich der Blick auf Azur
die nasse Erde atmet heißen Dampf
und meine Haut das Parfüm der Natur

warten auf Sommer
den längsten Tag
auf Leichtigkeit und Spiel
unterwegs, heißer Sand an den Füßen
ein Roadtrip ohne Ziel
auf der Ladefläche eines Trucks
per Anhalter die Panamericana entlang
die Landschaft flackert in blau, gelb und weiß
die Sonne gleißend, geblendet vom Klang
das Radio spielt Sultans of Swing, es ist heiß
und auf meiner Haut ist Sommer
und Staub und Glück
der Sonne so nah
der Sonne zu nah
vor dem Fall
kein zurück

*

*

Hörst du mir zu?
I look at you.
Ich spreche mit dir.
trying to
Kannst du mich spüren?
going through
Ich kann mich nicht rühren.
without you

*

*

going through
some emotions,
some of my states and notions
like I went through my things the other day
looking for nothing
but missing it anyway
did I lose it?
never had it?
was it meant to be mine at all?

going through
some relations,
some of my habits and needs
like I went through my papers in a strife
the empty rooms, the time that passed
other days becoming life

going through
some memories,
some of my fears and deceits
like I went through my picture book the other night
the postcard moments
to sound my depths and heights
did I forget it?
or say goodbye?
should it live or die?

*

*

befangen. ein scheues, wundes Tier,
zieht sich vor den Blicken zurück,
ins Dickicht, ist blickdicht,
lauscht dem Schweigen im Walde,
das nichts ungeschehen macht;
vor lauter Bäumen kommt es auch nicht in Betracht.
doch alles schaut zu, aus seinen Verstecken,
sieht weg, um die Schlafenden nicht zu wecken;
Vertrautes ist fremd geworden,
das Vertrauen schmeckt vergoren.
Das macht mir Angst.
Wie geht es dir?

*

| Band I |

*

Ich wäre gern der Mensch,
der dir beweist,
dass du nicht alleine reist.

Ich wäre gern der Mensch,
der dir Süßes bereitet,
damit dir die Bitterkeit
keinen Augenblick verleidet.

Ich gebe dir meine Munterkeit,
wenn du der Welt mal müde bist,
meine Leichtigkeit,
wenn dein Herz voll Schwermut ist,
Stärke, in einem schwachen Moment.

Ist deine Welt einmal dem Untergang geweiht,
ist meine zur Auferstehung bereit.
Wenn du schwarz siehst oder rot,
dann male ich sie rosa und mit Absetzboot.

Ich schenke dir stets mein Gehör,
wenn du was zu sagen hast.
Da ist meine Hand,
wenn du ins Leere fasst,
Halt, damit du loslassen kannst.

Ich wäre gern der Mensch,
der dir ein Stückchen Land überreicht
und über dein eigen Flecken Erde streicht.

Ich wäre gern der Mensch,
der dir die Freiheit schenkt,
einen Gefallen, ein Lächeln, einen Moment
möchte ich dir täglich bereiten.

*

*

Ein Irrlicht bin ich
inmitten der Dunkelheit
strahle ich
will meine Welt erleuchten.

Ein Irrlicht bin ich
inmitten der Dunkelheit
um mich herum wandeln Hüllen
in menschlicher Gestalt.

*

M o r g e n

Von einem tiefen inneren Frieden
ist das Gesicht erfüllt.
Ein Lächeln liegt auf samtenen Lippen,
in Schweigen gehüllt.
Schlaftrunken und mit ruhenden Augen
ein erster Blick in die Welt.

Sie entsteht zum ersten Mal an diesem Morgen,
wird neu geboren, lichtdurchdrungen, hell.
Mensch fühlt sich ganz und wohl in ihr geborgen.
Unscharf und unberührt erscheint sie in Pastell.

Dunst steigt von der Erde auf,
als würde sie ihren ersten Atemzug nehmen.
Ein Innehalten im Erwachen,
ein Gähnen, ein Wähnen.
In der Luft ein Hauch von Ewigkeit
als existiere die Welt nur hier
in diesem Augenblick
des Morgens stille Erhabenheit
und ich mit ihr.

wir sind wie Boote
einige liegen ruhig im Hafen
andere begeben sich in unbekannte Gewässer
auf stürmische See
erleiden Schiffbruch oder jagen die Unendlichkeit
scheitern am Horizont
doch am Abend mit untergehender Sonne
kehren wir in den Hafen zurück
oder haben das jenseitige Ufer erreicht

auf Irrfahrt begeben sich nur jene,
die Hafen und Jenseits verleugnen
die Verschollenen
mit unbekanntem Aufenthalt
die Untoten,
die weder gelebt haben, noch gestorben sind
verschallen

*

Wie trunken gehe ich durchs Leben,
taumelnd, bin gestrandet.

Ich bin ein Weltenbummler.

Ich wandle auf dieser blauen Erde,
gehe von dieser Welt in jene über,
von einer Welt zur nächsten über.

*

Die Welt, unser Turmbau zu Babel.

Verwirrung herrscht.

Der Mensch hat sein Selbst verloren,
sich verloren, ist verloren.

Er ist ein schöpferisches Wesen,
das nicht mehr schöpft, ist erschöpft,
hat seine Quellen ausgeschöpft.

Warum umgibt er sich mit Totem,
statt unter Lebendem zu weilen?

Mechanik ersetzt das Handwerk,
Materie den Geist.

Quantität ist unser goldenes Kalb,
Qualität der Ketzer unserer Zeit,
das letzte Sandkorn hinter Glas.

Verwirrung herrscht.

Der Mensch hat sich im süßen Brei verloren,
ist zur Masse, zur Ware geworden,
hat sich prostituiert und verkauft.

Sein großer Ausverkauf.

Er ist bunt statt Farbe zu bekennen.
Ihm ist alles gleich in seiner Toleranz.
Zeigt sich vielfältig in seiner Einfalt,
zelebriert die Grenzen seiner Freiheit,
ist Weltbürger, doch heimatlos.

Verwirrung herrscht.

Der Mensch ist ein schöpferisches Wesen
durch die Freiheit seines Geistes,
die Gestaltungskraft seiner Hände,
und die Bedingungslosigkeit seiner Liebe.

*

Wo bleibt das Eine.
Wo ist das Wir,
das ich meine.

Du bist wie du bist
und wie ich dich sehe.

Ich bin die in deinen Augen
und wie ich in dir mich sehe.

*

Auf einmal war er da,
der Gedanke,
der mir bisher nicht wirklich kam,
für den ich keinen Raum in mir hatte,
den ich nicht vernahm.
Ich war eingenommen von mir selbst,
war verletzbar, zu offen und weit.
Doch heute war er da,
der Gedanke

es tut mir leid.

*

| Band II |

l i c h t u n g

ich
hier in diesem Licht
entkörperlicht
sehe den Schatten,
den ich werfe, nicht

Licht zu sehen.
vom Schatten zu scheiden.
Schattenseiten.

ich hier in diesem Licht
sehe rot, blaue Wände
ton und farbzustände
überbelichtet
blende

Raum einnehmen
mit Licht versehen, erhellen
werde mich nicht in den Schatten stellen

ich war unterwegs nach nirgendwo
nur, um nicht zu bleiben
wenn außer mir doch alles in Bewegung ist
wo kann ich da verweilen?

ich war auch unterwegs nach irgendwo
nur, um nicht zu treiben
ich bleib' nicht gern nur außer mir
und lass mich einverleiben

ich selbst bin unterwegs
nur, um ich zu bleiben
ich bleibe gern, doch hier bei mir
bin ein Weltenbummler, bloß im Kleinen

denn öffnen sich in uns
nicht noch viel größ're Welten hier?
außer mir mag alles in Bewegung sein
doch so viel mehr Bewegung ist in mir

das Kind in dir
ist mir bekannt
es will sich wundern und staunen
nicht erwachsen werden
nicht verantwortlich sein
für alle seine Launen

deine Berührtheit
rührt auch in mir
sie will lieben und begehren
ungern älter werden
ungern nur verzichten
und Dinge entbehren

meine Feigheit macht mir Sorgen
schweige, meine nur verborgen
stehe mutig hier am Trichterrand
feige mit dem Rücken an der Wand

doch statt den Sprung einmal zu wagen
gewöhn' ich mich ans leidig Klagen
warum nur, warum immer ich?
klingt es aus mir ganz jämmerlich

meine Feigheit macht mir Sorgen
lächle, denke nur verborgen
sitze mittlerweile hier am Rand
hab' verloren meinen festen Stand

ich wollte immer mutig leben
nach dem Unmöglichem gar streben
bin gestolpert auf dem Weg dahin
über meine eig'nen Füße, schlimm

meine Feigheit macht mir Sorgen
rede, handle kaum verborgen
meine Leichtigkeit ist plötzlich fort
habe Angst vor meinem leeren Wort

ich wollte sagen, was ich denke
auf dass die Wahrheit mich nur lenke
stattdessen bin ich nun derart
ein Seiltänzer und Diplomat

meine Feigheit macht mir Sorgen
scheine, bleib' in mir verborgen
ich begehe an mir selbst Verrat
und laviere, komm' nicht in die Tat

doch um den Sprung endlich zu wagen
gewöhn' ich mich ans täglich Fragen
wenn nicht jetzt, dann wann?
wenn nicht ich, wer dann?

Ingo Ranz hat die Verantwortung abgegeben
für sich und andere und sein Leben
für Geburt, Gesundheit und Tod .
Das bringt ihn in bittere Not .

Er muss für jede Abgabe zahlen
lässt sich vergiften und auch bestrahlen
vertraut ganz blind, lässt sich verführen und betören
statt zu gesunden und auf sich zu hören .

Ingo Ranz hat eine kalte Schulter,
eine rosarote Brille, die für ihn die Welt erfasst
schaut ungern hin, hört lieber weg
geht aus dem Raum, sobald die Sache ihm nicht passt .

Er schweigt und glaubt, fragt bloß nicht nach
will sich so ungern selbst damit befassen
meidet darum dich und mich,
wenn wir doch nicht in sein Weltbild passen .

Ingo Ranz macht seinem Namen alle Ehre
ist er doch gar zum Verwaltungsakt geworden
eine fügsame Nummer auf einem Papiere
doch das Wesen der Dinge, das bleibt ihm verborgen .

Die Lüge ist der Virus uns'rer Zeit
selbst der Mensch wird nun zur Plage
und entgegen aller Glaubwürdigkeit
stellt er nichts außer seiner selbst in Frage

Ja, an der Lüge ist die Welt erkrankt
sie krümmt die Wahrheit, Raum und Zeit
verbreitet sich so unerhört wie unerkannt
und kommt mit ihren kurzen Beinen weit

Sie überträgt sich schneller als man denkt
und braucht nicht mal direkt Kontakt
sie ist der Parasit, der für uns denkt
ein Mundschutz wäre durchaus angebracht

Denn jedes Wort wird Kontamination
lässt das Selbstverständnis wanken
so findet sich viel besser in Isolation
auch der eigene unter den fremden Gedanken

Die Lüge hat nun allerlei Symptome
sie macht blind und taub, vor allem Angst
reduziert die Wahrnehmung in eine monochrome
sie trübt und täuscht, vernebelt den Verstand

So glauben wir viel lieber an die Lüge
bevor die Wahrheit uns'ren Seelenfrieden stört
unmöglich, dass sie uns so trüge!
denn sie ist Konsens, wurde hundertmal gehört

Die Lüge ist wie Rumpelstilzchen
denn ohne Namen hat sie Macht
ist wie des Kaisers neue Kleider
und wird als nackte Wahrheit dargebracht

Je länger wir so mit der Lüge leben
nur desto mehr mutiert sie, wird bald resistent
darum müssen wir nach Wahrheit streben
indem man sie - die Lüge - auch beim Namen nennt

Das Wesen einer jeden Lüge?
sie macht uns schuldig, treibt den Keil
weiß um die Wahrheit zur Genüge
und behauptet stets das Gegenteil

ich denke an den Hunger und die Kälte
an die Taubheit und der Explosionen Kraft
an die Ohnmacht, an die Schellte
wenn deine Welt zerstaubt und wie ein Traum zerplatzt

ich denke an Vertreibung und Verluste
an Familien, wie sie auseinander gehen
auf der Flucht und in der Hoffnung
bald, wie vereinbart, auf ein fernes Wiedersehen

ich denke weiter an erbarmungslose Winter
an Frostbeulen, Mundraub und den weißen Tod
gebrochene Seelen, alte Kinder
an Mangel, Mangel und den Kampf ums täglich Brot

ich denke an Dresden
und das Häufchen Asche, das blieb
an Berlin und an den Keil,
den man ins Herz ihm trieb

der Rheinwiesen gedenk' ich
dort hat sich das Böse gezeigt
und vor mahnendem Gestein
wird sich bis heut' vor ihm verneigt

deuter Wald, bist tief und dunkel
hütest dein Geheimnis mit grünem Gefunkel
du atmest feuchter Erde satte Luft
und lockst mit leuchtend roten Beeren, süßem Nadelduft

leises Raunen, Flüsterrauschen
vernehme ich von Buchen, uralten Eichen
meine Seele will dir lauschen,
einen Augenblick verweilen, nicht mehr weichen

starke Stämme, tiefe Wurzeln
in deiner Mitte unter goldenen Kronen
will ich mystisch mich gar fühlen
wohl beschienen dort in deiner Lichtung thronen

deuter Wald, bist tief und dunkel
hütest dein Geheimnis mit grünem Gefunkel
ich atme deiner satten Blätter Luft
verkoste deine Beeren, bade mich in deinem Duft

*

Kontakt | © Eeyenerde 2020